Grönland 2015 – Teil 4

Wir sind kurz vor Sisimiut und beenden erfolgreich unsere Wanderung auf dem Arctic Circle Trail. Wir bleiben zwei Nächte in Sisimiut und fahren anschliessend auf einem Schiff nach Norden.

12. August 2015 – Tag 13

Ohrstöpsel raus. Ich höre den Wind, den See .. und Regen – Tropfen auf dem Zelt. Das ist seit Langem das morgendliche Ritual: auf Geräusche – besser: Regengeräusche – achten. So brauche ich mich nicht aus dem Schlafsack zu schälen. An dieser Stelle ein dickes Lob an die Schlafsäcke mit Wärmekragen. Ich schlafe lediglich in Unterhose, Shirt und Socken und mir ist wohlig warm. Nat friert in dieser Konstellation – deswegen hat sie ihre Laufkombo an und friert teilweise noch immer.

Regenschauer II

Ich lese ein wenig, dann wird Nat wach. Wir kochen Kaffee im Vorzelt, machen Müsli im Vorzelt – und dann regnet es auch nicht mehr.
Wie üblich wird alles eingepackt. Die klitschnassen Schuhe sind eiskalt. Plastiktüten auf die Füße und weiter geht es. Es ist so kalt. Ich kann Nat mit großer Mühe für ein gemeinsames Foto überzeugen, dann läuft sie schon mal vor, während ich mich um das Zelt kümmere.

die zwei Frostbeulen

Am See entlang ..

Wanderweg

Hier verlieren wir unseren Wanderweg und klettern querfeldein den Berg hoch. Spätestens jetzt wird uns warm.

Greenland 2015 - Arctic Cirlce Trail
Nat klettert
Greenland 2015 - Arctic Cirlce Trail
in der Natur

Dann kommen wieder Feuchtwiesen. Der Liebling aller Wanderer. In der Ferne sehen wir die Hütte, die allerdings von Feuchtwiesen beschützt wird. Und so dauert es, bis wir sie erreichen.

Hütte

zur Hütte

Mittlerweile ist die Sonne herausgekommen, und die Landschaft erststrahlt um den Fjord Kangerluarsuk Tulleq. Nach den letzten Regentagen ist das, als ob jemand das Licht anmacht.

Selfieglück

Wir essen in der Hütte Nudeln in Suppe, trinken Kaffee, machen viele Fotos mit dem Fjord im Hintergrund.

Pause in Grönland

Nach der Pause geht es weiter. Am Fjord entlang mit Sonne im Rücken laufen wir durch Feuchtwiesen, Flüsse und Kriechweiden. Hier bleiben wir in den Kriechweiden stecken und müssen umdrehen.

Greenland 2015 - Arctic Cirlce Trail
in der Pampa

Dennoch: die Sonne und Fjord sind das Highlight.

Greenland 2015 - Arctic Cirlce Trail
Nat am Kangerluarsuk Tulleq
Greenland 2015 - Arctic Cirlce Trail
Kangerluarsuk Tulleq

Schließlich verlassen wir den Fjord, wir müssen einen reissenden Fluss furten ..

.. und die Mordstour nach oben beginnt. Es ist der letzte große Aufstieg unserer Reise nach Sisimiut. Nach dem gestrigen Jogging ist das eine Qual. Wir schleppen uns nach oben und werden dabei mit Aussichten belohnt.

Schatten

Fast am Ziel

Aufstieg

Mitten in der Pampa mit einem Wahnsinnsblick steht ein Klohhäuschen. Sonst ist hier nichts. Aber auch das wurde mit Müll zugestellt.

Über dem Fjord

Greenland 2015 - Arctic Cirlce Trail
Greenland 2015 – Arctic Cirlce Trail

Wir klettern weiter. Es wird merklich kühler. Die Sonne verschwindet hinter Wolken. Wir erreichen einen Pass, der nur aus grauen Steinen besteht. Nach den letzten Stunden mit Sonne, Fjord und fruchtbaren Wiesen erreichen wir das Land Mordor.

Mordor

Zwei Stunden laufen wir durch grau, Flüsse und Seen gibt es zwar, aber alles wirkt so leblos. An manchen Stellen liegt Schnee. Im Hintergrund am Ende des Fjälls ist blauer Himmel – das gilt es zu erreichen. Aber Pause machen wollen wir wegen der Kälte auch nicht. Unsere Schuhe sind heute leider nicht getrocknet.

Wir überqueren zwei Flüsse, und sind überrascht, auf einmal zwei junge Männer mit Gewehren vorzufinden. Sie grüßen und ziehen weiter.

Wir erreichen recht fertig das Ende des Passes. Vor uns breitet sich ein riesiges Tal aus. Auf der anderen Seite wird es durch das gewaltige Massiv des Nasaasaaq begrenzt. Wir sind sprachlos. So schön sieht es hier aus.

Nasaasaaq

Nasaasaaq II

Zelten am Nasaasaaq

Wir finden eine grandiose Stelle zum zelten: unter uns liegt das Tal. Wir essen, genießen den wundervollen Sonnenuntergang.

Doch kaum ist die Sonne hinter den Bergen verschwunden, wird es wieder kalt.

Sundown: Nasaasaaq

13. August 2015 – Tag 14

Zwei Wochen sind wie nun on the road. Der Anfang der Reise ist bereits weit weg. Leider beginnt der heutige Tag mit den üblichen Regengeräuschen. Ich war bisher noch nicht draussen, aber die tapfere Nat berichtet, dass alles voller Nebel ist. Bis Mittag wollen wir hier ausharren – und wenn es nicht besser wird, ziehen wir trotzdem weiter. Immerhin werden wir heute Abend unter einem Dach schlafen.

Es schüttet ordentlich. So schlimm war es noch nie. Dazu der eiskalte Wind. Lass mich mal von Kälte erzählen .. So schlimm ist es dann doch nicht. Wir liegen in unseren Schlafsäcken. Zum Glück haben wir noch Restwasser im Wassersack. Gestern Abend wollte ich noch welches holen, worauf Nat meinte, ah lass, das können wir auch morgens in Ruhe machen. Mit dem Wetterumschwung haben wir nicht gerechnet.

Unsere Küche
Unsere Küche

Ich habe die ganze Zeit mit einem Benzinkocher geliebäugelt. Aber die Stichflammen, die ich neulich in einer der Hütten gesehen habe, hätten es mit unmöglich gemacht, im Vorzelt zu kochen. Bzw. dann gäbe es längst kein Vorzelt mehr.

Wir machen Kaffee und Müsli (im Vorzelt). Bei so einem sauwetter schmeckt das alles noch mehr.

So gut es geht packen wir alles im Zelt zusammen. Und dann go! go! go! Nat friert, also läuft sie schon mal vor. Ich packe währenddessen das klitschnasse Zelt zusammen. Ein Foto vom Tal im Regen und dann stiefele ich den Berg runter.

Nächster Morgen im Regen

Nat hat einen ordentlichen Vorsprung. Auf der anderen Seite des Tals wird der Nasaasaaq von Wolken umhüllt, was sehr gespenstisch aussieht. Und sehr schön.
Trotz Regen herrscht gute Laune. Wir erreichen einen Fluß, den wir nicht einfach so überqueren können. Also ziehen wir im Regen unsere Schuhe aus, Crocs an, rüber in der Kälte, Crocs aus, Schuhe an. Weiter gehts.

im Regen
im Regen

Obwohl wir recht gut vorankommen, holt uns Wojtek ein, der zusmmane mit Djego ind der Hütte übernachtet hat. Nach einem kurzen Plausch ist er auf und davon.

1,5 Stunden vor Sisimiut
1,5 Stunden vor Sisimiut

Schließlich sehen wir die ersten Zeichen von Zivilisation. Ein Skilift ohne Schnee. Und dann eröffnet sich vor uns der Blick aufs Meer und die kleine Stadt Sisimiut.

Zivilisation in Sicht
Zivilisation in Sicht

Wir brauchen mindestens eine Stunde, bis wir die ersten Hunde (jaulend) hören und sehen (oh, wie kuschelig!). Von einem Hundebesitzer werden wir freundlich begrüßt. Wir freuen uns zu Anfang über diese Willkommensgeste, merken aber recht schnell, dass sich der Small-Talk in ein Werbegespräch für Wintertouren mit Schlittenhunden entwickelt. Mit diversen Werbeprospekten in den Händen ziehen wir weiter, um nach einer schönen Unterkunft für die Nacht zu suchen.

Viele davon
Viele davon

Schließlich steuern wir eine Schule an, in der wir wohl günstig übernachten können. Die Schule bietet keine Übernachtungen mehr an also geht es weiter zur Jugendherberge. Als wir dort ankommen, ist diese noch geschlossen. Wir (Nat) haben keine Lust zu warten, also steuern wir das Hotel “Seemannsheim” an. An der Straße angekommen, werden wir von einer Frau auf englisch angesprochen. Sie hätte uns von einem Hügel aus gesehen und wollte fragen, ob wir den Arctic Circle Trail gelaufen sind. Nach der kürzlichen Werbeaktion bin ich ein wenig skeptisch, taue aber recht schnell auf. Sie ist selbst zu Besuch in der Stadt – sie komme aus Canada und ist mit einem Schiff unterwegs. Gemeinsam laufen wir die 20 Minuten zum Hafen. Wir erzählen dabei vom Trek – sie vom Yukon und Bären. Wir verabschieden uns – später ärgern wir uns, dass wir unsere Kontaktdaten nicht ausgetauscht haben.
Im Seemannsheim kriegen wir ein eigenes Zimmer mit echten Betten und einem eigenen Bad mit heißem Wasser. Das ist die Luxusvariante. Erste Blicke im Spiegel verraten, dass wir einiges an Gewicht verloren haben. Und tatsächlich, die Rippen sind zu sehen.

Und dann kommt die erwartete heiße Dusche – göttlich! Ich habe mich lange nicht mehr so wohl gefühlt. Auch wenn ich gerade draußen auf der Wiese hocke. Ich muss mich ans Drin-Sein gewöhnen. Ich habe das Zelt aufgebaut, damit es trocknet.

Greenland 2015 - Arctic Cirlce Trail
Tagebuch schreiben während das Zelt trocknet

Jetzt heißt es: Essen besorgen und Wäsche waschen. Oder einfach mal nichts machen.
Wir essen im Seemannsheim: Pommes mit halben Hähnchen. Es ist zwar nur ein Teller aber wir sind überfressen. Für einen Nachtisch (Apfelkuchen und Pudding) findet sich dennoch Platz. Wir versuchen einen Spaziergang, brechen aber nach kurzer Zeit ab – wir sind fertig.

Auf dem Zimmer beginnt Nat mit der Waschorgie. Ein Mülleimer wird zum Wascheimer umfunktioniert und alles wird eingelegt.
Wir schauen uns noch die Bilder der letzten 14 Tag an, dann wird seelig in den bequemsten Betten der Welt geschlafen.

14. August 2015 – Tag 15

Diese Betten! Diese Bettwäsche! Fantastisch!
Beide schlafen wir seelig .. und heute tut jeder Knochen weh. Die Beine meckern. Als wären wir gestern zum ersten mal gelaufen. Wir frühstücken ausgiebig, wobei zwei Brötchen viel zu viel Essen ist. Aber es tut gut, mal kein Müsli zu essen. Wir gehen durch die Stadt, finden Geocaches, machen Einkäufe und schauen uns die kleine Stadt genauer an.

in Sisimiut
in Sisimiut
28 Tage Essen
28 Tage Essen

Unterwegs treffen wir Wojtek und Djego, die mit der Reise alles andere als glücklich waren. Sie hatten sehr wenig Zeit und hauptsächlich schlechtes Wetter auf der ganzen Tour. Dafür scheint heute die Sonne.
Wir essen Cheeseburger und Pommes – als hätten wir in den letzten zwei Wochen nichts zu essen gehabt. Als Nachtisch gibt es in der Bäckerei einen Kaffee und Kuchen.

Greenland 2015 - Arctic Cirlce Trail
Kaffee und Kuchen

Das Leben kann so schön sein. Hier treffen wir auch die vier älteren Wanderer (von uns zärtlich die Rentner genannt), die mit uns in der Equalugaarniarfik-Hütte übernachtet haben. Auch sie sind nicht über das Wetter und die ganze Reise glücklich: Zu nass, zu kalt. Auf der letzten Etappe ist einer beim Furten gestürzt. Zum Glück ist nichts ernstes passiert. Dennoch würden sie die Tour nicht ein weiteres mal machen. Immer wieder schwärmen sie vom West Highland Way. Ich erinnere mich gerne an diesen tollen Wanderweg – aber Grönland ist bei weitem kein Vergleich. Es ist sehr interessant zu sehen, wie unterschiedlich das Erlebte bewertet wird. Bis jetzt steht es 2:6 gegen Grönland.

Nachmittags legt sich Nat nochmal hin und ich wandere allein durch die Stadt. Morgen geht es weiter gen Norden. Und da wir in den letzten Tagen öfters gefroren haben, kaufe ich eine lange Unterhose aus reiner Merinowolle. Ich finde auch einen Jagdladen mit allem was das Herz begehrt: Camping- und Angelausrüstung, extrem warme Kleidung und Waffen. Letzteres kann man allerdings auch in einem normalen Einkaufsladen am Hafen kaufen.
Wir finden keine Möglichkeit Fisch zu essen. Und so speisen wir am späten Nachmittag im Kino – sehr lecker.

Aussicht am Kino
Aussicht am Kino

Viel zu viel Essen für uns. Das macht sich später im Schlaf bemerkbar.

15. August 2015 – Tag 16

Himmlisches Bettenlager! Wir schlafen zwar beide schlecht, aber die Betten sind so toll! Die Sonne scheint und wir hoffen, dass es so die nächsten Tage bleibt.
Wir müssen das Zimmer räumen – unser Schiff kommt allerdings erst heute Abend. Die Rucksäcke können wir im Seemannsheim deponieren. Vor dem “Seemansheim” treffen wir das Pärchen, welches ebenfalls in der Equalugaarniarfik-Hütte mit uns übernachtet hat. Sie sind ebenfalls von der Grönland-Tour nicht sonderlich überzeugt. Beide schwärmen hingegen von Kirgisistan. 2:8 gegen Grönland.
Wir wollen uns heute die Umgebung anschauen, vor allem will ich auf die Hügel. Wir laufen gen Süden und müssen an einer Mülldeponie vorbei. Die Verbrennungsanlage daneben überzeugt mit eigenem Charme. Es ist furchtbar.

NiIcht die schönste Ecke
NiIcht die schönste Ecke

Als wir endlich den Müll hinter uns lassen, beginnen die Hügel. Wir sind allein in der Pampa. Wir krakseln herum, machen Fotos und genießen die wunderbare Aussicht über Sisimiut und Umgebung.

Nat und Janne auf einem Hügel
Nat und Janne auf einem Hügel

Beim Abstieg bekommen wir einen Eindruck davon, wenn es heißt, von Fliegen umgeben zu sein. Kaum ist der Wind weg, werden wir von Fliegen belagert – in Massen.
Es ist Wochenende: Auf den Straßen sind entweder Kinder oder heruntergekommene Erwachsene mit Bier in der Hand.
Wir wiederholen das gestrige Essensprogramm: Burger, Kaffee, Kuchen.
Wir schauen uns den Hafen an, finden weitere Geocaches und haben viel Zeit zum totschlagen.

Sprungbilder müssen auch sein
Sprungbilder müssen auch sein
Posing vor Sisimiut
Posing vor Sisimiut
in Sisimiut
in Sisimiut
vom Meer aus gesehen
vom Meer aus gesehen
Sitzplatz
Sitzplatz

Wir treffen die zwei Französinnen: Mutter und Tochter. Sie haben den Arctic Circle Trail in 9 Tagen bei jedem Wetter absolviert. Sie fanden den ACT eher langweilig. Es steht jetzt 2:10 gegen Grönland. Mmh. Die Rentner laufen uns über den Weg. Auch sie warten auf das Schiff heute Abend.
Kurz vor 19:00 sind wir am Hafen bereit. Die Sarfaq Ittuq hat angelegt. Das Schiff habe ich so oft auf Bildern gesehen und nun sitzen wir in Grönland (!!!) und schauen es mit eigenen Augen an.

das Warten hat bald ein Ende
das Warten hat bald ein Ende

Um 20:00 Uhr dürfen wir endlich an Bord. Dank Basti haben wir eine eigene Kabine gebucht. Die Nummer: 404. Wir finden sie ohne Probleme. Unsere Erwartungen: Eine kleine Kajüte mit einem Bullauge. Bekommen haben wir ein eigenes riesiges Zimmer mit Bad und Dusche. Wir fühlen uns königlich.

unser kleines Reich für 19 Stunden
unser kleines Reich für 19 Stunden

Mit dem vorhandenen Wasserkocher machen wir uns Tee und gehen in die Sonne ans Deck, wo wir mit anderen Passagieren die Abfahrt beobachten.

Janne auf dem Deck der Sarfaq Ittuq
Janne auf dem Deck der Sarfaq Ittuq

Es ist ein herrliches Gefühl. Die Sonne geht unter, Sisimiut wird immer kleiner. Ich bleibe noch lange oben. Es wird kalt und so ziehe ich alles an, was ich besitze. Nat hockt in der Kajüte und beobachtet die See aus dem Fenster.

Nat einen Platz auf dem Tisch
Nat einen Platz auf dem Tisch
Westküste
Westküste
Unsere Schlafplätze an Bord der Sarfaq Ittuq
Unsere Schlafplätze an Bord der Sarfaq Ittuq

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