Wir wandern weiter zur Westküste Grönlands. Wir müssen viele Anstiege überwinden, Flüsse überqueren und Regen trotzen – werden dafür mit atemberaubenden Landschaften belohnt.
4. August 2015 – Tag 5
Augen auf, es regnet, Augen zu.
Bis 11:00 schlafen wir. Es regnet noch immer.
Nicht mehr so viel wie in der Nacht. Aber es regnet. Wobei es sich im Zelt meistens nach Weltuntergang anhört, als ob draußen ein Sturm toben würde. Dabei ist es nur ein leichter Nieselregen.
Gegen 13:00 lichtet es sich endgültig. Wir kochen Kaffee, essen Müsli und nutzen anschließend die Zeit, um das Zelt abzubauen. Alles in Ruhe. Wir waschen uns sogar im See. Diese grandiose Landschaft vor mir. Ich nackig am See. Das Gefühl ist unbeschreiblich. In den See zu hüpfen traue ich mich dann doch nicht. Aber ich fühle mich nun sauber.
Es bleibt trocken. Und so wir kommen recht gut voran. Melanie und Stefan überholen uns dennoch flotten Schrittes. Wir verabreden uns für heute Abend.
Den ganzen Tag nieselt es immer wieder, aber es stört nicht. Zumindest sind wir unterwegs.

Abends erreichen wir das Kanu-Center ein.

Wie der Name schon sagt, handelt es sich um eine ehemalige Kanu-Station. Von dort kommen die Kanus im See. Es ist eine große Hütte: es gibt zwei Schlafräume und eine Küche – jeweils mit Öfen ausgestattet. Die Öfen werden mit Petroleum betrieben, und so müffelt es in allen Räumen.
Wir essen gemeinsam zu Abend. Anschließend geht Nat ihre Haare waschen: „Es war sehr kalt auf meinem Kopf“.
Wir legen uns in eines der Betten zum Schlafen. Es ist sehr ungewöhnlich. Die Räume sind viel dunkler als unser Zelt. Dazu der Gestank. Wir schlafen mit geöffnetem Fenster.
Ich habe das Gefühl, dass wir völlig ungeplant an die Reise angegangen sind. Jedenfalls bin ich jeden Abend am rechnen, ob das Essen reicht, ob wir zu viel Essen dabei haben und deswegen zu langsam sind. Da kriege ich keine Ruhe rein. Nat ist da sehr entspannt – trotz Tage und Haare (die ja mittlerweile mit kaltem Wasser gewaschen wurden.)
05. August 2015 – Tag 6
Morgens frühstücken wir zu viert. Es ist angenehm an einem Tisch zu sitzen. Und dann geht es auch schon weiter. Melanie und Stefan rennen uns davon.
Wir nähern uns langsam dem Ende des Sees und finden vier Kanus vor. Nat will sofort eine Runde drehen. Ich zögere erst, weil Zeit (!!) und so. Ah was. Wir lassen die Rucksäcke im Gras liegen und ziehen gemeinsam ein Kanu ins Wasser. Wir drehen eine Runde, machen Fotos, das macht so viel Spaß.


Um so schade, dass wir früher kein Boot gefunden haben.
Wir verlassen den See und laufen durch ein grünes Tal. Die Sonne schaut raus, überall sind diese weißen Puscheldinger. Vor uns ragt ein riesiger Felsen und in der Ferne wartet das nächste Tal.




Wir machen Pausen, kochen Tee.

Schließlich erreichen wir den See.
Nach einem anstrengendem Anstieg entscheiden wir uns fürs Zelten. Am Strand weit unten sehen wir weitere Zelte.

Später sehen wir sogar ein Motorboot auf dem See. Es sind Einheimische, die auf dem See fischen. Wir bleiben oben und haben eine grandiose Aussicht über den See.

Wir sind bei Kilometer 73 angekommen. Vor uns liegen ca 100 km. Und wir haben genug zu Essen dabei (Anmerkung Nat: Sag ich doch :) )
06. August 2016 – Tag 7
Die Sonne scheint, die Landschaft strahlt. Und wir haben den geilsten Zeltplatz ever. Über dem See. Es windet zwar ordentlich aber im Windschatten vom Zelt kann ich kochen.
Wir machen Frühstück. Das Kalorienwunder von Expeditionfoods ist heute dran, will haben heute sehr viel vor. Ziel für heute: Den krassen Aufstieg, die Hütte und ein wenig mehr. Zunächst müssen wir runter zum See.

Und dann fängt die Kletterei an.

Was müssen wir heute ackern. Berg rauf, Berg runter. Im Tempo einer Schildkröte schleppen wir uns voran. Und die Anstrengung wird belohnt, wir bekommen wunderschöne Landschaften zu sehen. Ich bin voller Ehrfurcht.
Trotz Kalorienbomben abends und morgens hat Nat ein ordentliches Tief. Weder Tee noch Schlaf helfen. Wobei Schlafen wegen der vielen Fliegen gar nicht möglich ist.

Mit Keksen und Pemmikan wird sie wieder munter.
Wir wandern auf Bergrücken, sehen riesige Felsen, viele Seen und grüne Täler. Bisher sind das die gewaltigsten Ausblicke. Ich bete inständig, dass die Fotos etwas davon einfangen können.
Irgendwo habe ich gelesen, der ACT sei sehr eintönig und landschaftlich wenig reizvoll. Wir erleben genau das Gegenteil. Täglich sehen wir andere Landschaften – heute ändern sie sich sogar stündlich.

In der Ikkattoog-Hütte kochen wir eine Suppe.
Im Logbuch der Hütte steht eine krasse Geschichte: Ein Angler wurde in der Nähe von einem tollwütigen Polarfuchs attackiert und gebissen. Der Helfer machte sich auf den Weg zur nächsten Stadt (~100km), um Hilfe zu holen. In fast allen Logbüchern der kommenden Hütten wird er sich eingetragen haben.
Beim Aufbruch treffen vier dynamische einheimische Frauen ein, die mit leichtem Gepäck reisen. Wir grüßen und ziehen weiter. Ein letzter krasser Aufstieg des Tages und wir landen an einem See.


Wir suchen einen Platz und bauen das Zelt auf.


Es gibt endlich Essen und Ruhe.

Mittlerweile ist es schweinekalt. Wolken ziehen auf und nehmen den See und die ganze Umgebung für sich ein.

Ich klettere weiter hoch und bewundere das Schauspiel.
07. August 2016 – Tag 8
Nat konnte nicht schlafen. Zunächst war es zu kalt, dann zu warm, dann war die Liegeposition nicht gut. Ich schlief wie ein Toter. Dafür hat sie das Nebelschauspiel erlebt: Es gab nur noch weiß, man sah nichts mehr.
Beide sind wir angeschlagen. Nat tut alles weh. Und ich habe morgens nichts besseres zu tun, als um 8:00 im See zu baden. Wobei, baden ist übertrieben. Seit dem läuft meine Nase. Wir tippen auf unter 10°C. Wir machen wieder ein Lagerfeuer und packen alles ein.
Heute haben wir einen Abstieg vor uns. Das Wetter ist sogar recht freundlich.
Mittags brechen wir auf. Nat ist fertig, will aber weiter. Wir müssen zunächst weiter hoch.

Dabei sehen wir ein Rentier, welches elegant an uns vorbei hüpft.


Und plötzlich öffnet sich ein großes Tal vor uns: Ole’s Lakseelv. Was für eine gewaltige Landschaft hier oben. Karge Felsen, Wind und Kälte. Aber was für eine Aussicht.
Vor uns liegt der Abstieg ins Tal. Es fängt an zu regnen. Regenschutz an. Es ist nicht so schlimm und stört nicht beim laufen. Ich bin von der Landschaft hin- und weg.
Unten angekommen hört es dann auch wieder auf und wir machen eine Pause. Nat schläft gerade.

Wir durchqueren langsam das Tal, welches von einem Fluss durchquert wird. Es gibt wohl eine Brücke über den Fluß, aber wir müssten einen Umweg machen und Feuchtwiesen in Kauf nehmen.

Wir entscheiden uns für den direkten Weg zum Fluss. Rechts von uns schüttet es, links von uns scheint die Sonne. Und bei uns kommen wenige Regentropfen an. Aber es hält sich in Grenzen.


Nach einigen kleineren Feuchtwiesen erreichen wir endlich den Fluss.

Und wir müssen den Fluss überqueren. Im Frühling ist das wohl nicht möglich. Ich ziehe meine Wanderstiefel aus, hüpfe in die Aldi-Crocks und checke den Fluss. Kurz vor dem Ufer wird es tiefer, aber ich finde einen Weg auf die andere Seite. Rucksack holen und rüber damit. Meine Hose ist nass, die Karte ebenfalls.


Da ich die Hose nicht weiter hochziehen kann, ziehe ich sie einfach aus und wate nochmals rüber. Nat hat richtige Schmerzen, so kalt ist das. Ein Foto muss ich allerdings machen :)

Und dann sind wir auch schon drüben.
Die Sonne kommt raus und doch regnet es immer wieder, aber das stört uns nicht.


Wir schaffen es sogar in einer Pause, Suppe mit Nudeln zu kochen. Auch diesmal bin ich froh, dass Nat mich überzeugt hat, Essen zu machen. Etwas Warmes im Magen ist schon etwas feines.

Wir erreichen den Maligiaq Fjord und im Abendlicht sieht alles toll aus.
Kurze Zeit später erreichen wir die Equalugaarniarfik-Hütte und ich überrede Nat, über Nacht hier zu bleiben.

Wir finden ein großes Zimmer vor: Es gibt eine Kochecke, zwei Bänke und einen Tisch. Auf den Bänken liegen einfache Matratzen und bieten 4-6 Menschen einen Schlafplatz. Es gibt eine Toilette und einen Ofen, den wir allerdings nicht anwerfen können. Momentan sind wir allein und hoffen, dass das so bleibt.
Ich mache mich auf den Weg, Wasser zu holen. 300 m entfernt soll es einen Bach geben. In den letzten Tagen hat es wohl nicht genug geregnet, denn der Bach ist leer. Ich laufe den Bach entlang und halte Ausschau nach Pfützen. Eine ganz große hat genug Wasser für mich. Ich schleppe den Kanister zurück zur Hütte, wo ich endlich meine Kleidung wasche.

Auch die Schuhe kann ich endlich einwachsen. Und dann haben wir den ganzen Abend für uns: Ausruhen und lesen.

Ich bin so fertig, obwohl die Rucksäcke täglich leichter werden.
Natascha nutzt die Gelegenheit und wäscht ihre Haare. Dafür macht sie alle Gaskartuschen der Hütte leer :)
Ich liege auf den Matratzen und bewundere die Aussicht. Die Sonne steht tief, der Fjord, die Hügel.

Ohne Ende mache ich Fotos und hoffe, dass die Akkus bis Sisimiut halten.
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